27.3.2021 | Standpunkt

Standpunkt von Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI

Veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. März 2021

Zwei Jahre nach der unnötig vergeigten Bewerbung um die europäische Bankenbehörde EBA bekommt Frankfurt eine zweite und vielleicht letzte Chance. Es geht um die neue Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche. Zunächst kursierten in Brüssel Spekulationen, sie solle innerhalb der EBA angesiedelt werden, womit auch diese Standortfrage zugunsten von Paris entschieden gewesen wäre. Inzwischen plädiert die EU-Kommission aber dafür, eine eigenständige Organisation mit breiterem Aufgabenbereich zu schaffen, mit dem überzeugenden Argument, dass Geldwäsche nicht nur Banken betrifft. Auch Deutschland und andere Mitgliedstaaten sehen das so. Damit ist der inoffizielle Startschuss für das Rennen um den künftigen Sitz der Behörde gefallen.

Die Bundesregierung wäre gut beraten, diesmal mehr diplomatischen Einsatz zu zeigen als im Fall der EBA. Damals waren die Franzosen schneller, professioneller und aggressiver. Während Emmanuel Macron die EBA-Standortfrage zur Chefsache machte, stolperte Deutschland ohne klares Konzept ins Rennen. Bonn bewarb sich um die EU-Arzneimittelagentur, Frankfurt um die EBA. Die Bundesregierung verschanzte sich hinter dem Föderalismus und ließ den Dingen ihren Lauf mit dem Ergebnis, dass sowohl Bonn als auch Frankfurt das Nachsehen hatten. Die Chance, die EU-Bankenaufsicht am Standort der EZB zu bündeln, war vertan. Eine weitere solche Schlappe wäre fatal. Nicht nur, weil die Antigeldwäschebehörde Frankfurt voraussichtlich rund 500 hochqualifizierte Arbeitsplätze bringen würde. Eine Entscheidung für Frankfurt wäre für den Finanzplatz auch dringend benötigter Rückenwind im europäischen Wettbewerb.

Sollte Paris auch noch die Antigeldwäschebehörde bekommen, droht die Tektonik der kontinentaleuropäischen Finanzplätze weiter nach Westen zu driften. Eine dritte wichtige EU-Aufsichtsbehörde neben der EBA und der ESMA wäre ein dicker Pluspunkt im Wettbewerb um die Ansiedlung internationaler Finanzunternehmen, für die räumliche Nähe zur Aufsicht angesichts überbordender EU-Regulierung zu einem wichtigen Kriterium geworden ist. Zusätzliche Sogwirkung zum Nachteil Frankfurts könnte die geplante Reform der EU-Aufsichtsbehörden entfalten. Für deren Befürworter war der Wirecard-Skandal zuletzt ein gefundenes Fressen, um noch mehr Macht für die EU zu fordern. Und schon kurz nach dem Gewinn der EBA dachten französische Politiker laut darüber nach, auch die bei der EZB liegende Bankenaufsicht zur EBA nach Paris zu holen. Frankfurt wäre um eine weitere EU-Institution ärmer. Schließlich könnte dann auch noch die EU-Versicherungsbehörde EIOPA verloren gehen, denn schon jetzt machen sich die Franzosen für eine Allfinanzaufsicht in Paris stark. Das vordergründige Argument: Trennung von Finanzaufsicht und Geldpolitik. In Wahrheit geht es um Industriepolitik, Einfluss und Arbeitsplätze.

Noch liegen bei der Zahl der ansässigen EU-Finanzinstitutionen Frankfurt (EZB, SSM und Versicherungsbehörde) und Paris (Wertpapier-, CCP- und Bankenbehörde) gleichauf. Doch dieses Gleichgewicht droht zu erodieren. Um dies zu verhindern, muss die deutsche Politik sich endlich zur Finanzwirtschaft bekennen und mehr Profil in der EU entwickeln. Oft gewinnt man den Eindruck, dass sich Deutschland nicht vordrängeln möchte – ein bei anderen Mitgliedstaaten nicht anzutreffendes Verhaltensmuster. Und da in der EU Proporz und Deals mindestens genauso viel zählen wie Sachargumente, muss sich die Bundesregierung endlich für Frankfurt engagieren.


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